Eine erste Umsetzung des Konzepts „Schule ohne Druck“ entsteht seit März 2022 an der Grundschule in Capellen in Luxemburg. Hierbei arbeitet das Kollegium rund um das Schulleitungsteam unter Vorsitz der in Luxemburg Schulpräsidentin genannten Schulleiterin Maryse Baden in einem fluiden Begleitungsprozess mit TeeKay Kreissig als externem Schulentwicklungsberater zusammen. Begleitet wird „Schoul ohni Drock“ ausserdem durch das Regionalteam von Schulentwickler*innen, die in Luxemburg über das Nationale Institut zur Fortbildung von Lehrer*innen (IFEN) allen Schulen zur Verfügung gestellt werden. Am 6. Dezember 2022 stellten Maryse Baden und TeeKay Kreissig das Konzept erstmals im Rahmen des ILE-Netzwerktreffens vor.
Auf einen Blick - die Seitenübersicht
Future Days
Im Rahmen von drei jeweils 4 – 6 stündigen Fortbildungstagen – den sogenannten “Future Days” – wurden immer grössere Teile des Kollegiums an der Entwicklung der Idee der “Schule ohne Druck” beteiligt. Der Bottom-Up-Prozess wurde gemeinsam von Maryse Baden und TeeKay geleitet, wobei TeeKay zu gewissen Themenfeldern auch als externer Inputgeber fungierte.
Diese Termine fanden statt am:
- Mi, 16. März, Leitungsteam
- Di, 17. Mai , gesamtes Kollegium
- Mi, 14. September , gesamtes Kollegium
Vorteile und Herausforderungen
Luxemburg ist das kleinste Land der EU, hat aber EU-weit die höchsten pro Kopf Bildungsausgaben, die in Europa nur noch durch das Nicht-EU Land Norwegen übertroffen werden. Besonders wichtig ist hierbei der KKS-Index, der die reale Kaufkraft der aufgewendeten Mittel im jeweiligen Land darstellt.
Schulgebäude in Capellen
In Luxemburg sind die Gemeinden die Eigentümerinnen der Schulgebäude und beauftragen damit auch Schulneubauten. Dem langjährigen Bürgermeister Gilles Roth (seit 2000 im Amt) war die Bedeutung von Bildung immer wichtig, so dass regelmäßig großzügig in die Bildungsinfrastruktur investiert wurde.
Die Schule in Capellen, entworfen vom Architekturbüro “Clemes”, verfügt daher – wie glücklicherweise viele Schulen in Luxemburg – über ein helles, modernes und funktional leicht verwandelbares Schulgebäude. Es wurde von 2010 bis 2015 errichtet. Der Campus beherbergt mehrere Gebäude: das Schulgebäude, das Gebäude Maison de Relais, eine Sporthalle, einen Parkplatz, einen Energieturm. Die Wärmeerzeugung basiert zu 100% auf erneuerbaren Energien, sowie Pellets und Holzhackschnitzel.
Mehrsprachigkeit
Besondere Herausforderungen in allen Grundschulen Luxemburgs ist die Mehrsprachigkeit des Schulsystems, die sich auch in der geographischen Lage zwischen Belgien, Deutschland und Frankreich begründet. Die Landessprache Luxemburgisch ist Erstunterrichtssprache, die in den sogenannten 4 jahrgangübergreifenden Stufen (Cycle 1 – 4 ) genutzt wird. Da aber in allen höheren Schulen vor allem in den MINT-Fachunterrichten Deutsch und Französisch mit den entsprechenden Lehrbüchern genutzt werden, müssen die Grundschulen diesen Wechsel so vorbereiten, dass der Übertritt problemlos gelingt.
Zusätzlich leben in Luxemburg ca 47% Ausländer, so dass viele der Schüler*innen noch weitere Erstsprachen ausser Luxemburgisch, Deutsch oder Französisch mitbringen. Besonders gross ist hierbei der Anteil der Portugiesisch-sprachigen Menschen aus Portugal und Brasilien, die ca 25 % der Gesamtbevölkerung des Landes ausmachen.
NATO-Stützpunkt
In Capellen kommt ausserdem noch die räumliche Nähe zu einem NATO-Stützpunkt hinzu. Hierdurch steigt zum einen die Erstsprachenvielfalt, zum anderen sind viele der dort arbeitenden Eltern in gehobenen Verwaltungspositionen und bringen eine sehr hohe Erwartungshaltung an die Schule als Lernort mit.
Ganzheitliches Konzept als „Roter Faden“
Durch “Schule ohne Druck” wird ein einheitliches, von Zyklus 1 bis 4 aufeinander aufbauendes und kohärentes Konzept für die Differenzierung ausgearbeitet.
Es werden die zyklusspezifischen Grundkompetenzen und die entsprechenden Evaluationsmethoden festgelegt, schriftlich festgehalten und im Schulalltag gelebt. So entsteht ein “roter Faden” von C1-C4 und alle Lehrer*innen ziehen an einem Strang, was auf Eltern sehr beruhigend wirkt. Sie sehen, dass die Schule aufbauend und an das Alter angepasst das Wissen vermittelt und auch angepasste Evaluationsmethoden anwendet.
Des weiteren werden die verschiedenen Förderbereiche festgelegt und das dazugehörige pädagogische Material für die einzelnen Lerntypen bestimmt.
Schulentwicklung als Teamarbeit
Rund um das in Luxemburg Comitée genannte Leitungsteam (Maryse Baden, Leslie Pezzoli, Giovanna Giannini) arbeitet ein sehr engagiertes Team aus Pädagog*innen. Vor allem die Leiter*innen der Cycles (Françoise Weydert, Annick Straus, Guy Lepage & Joëlle Hein) gestalten in regelmässigen Teamsitzungen die Schulentwicklung mit. Alle Lehrer*innen stehen als Team hinter dem Konzept und sind so auch bei Schwierigkeiten während des Transformationsprozesses weniger angreifbar als eine einzelne Person.
Fehlende Einbindung der Eltern
Im Luxemburger Schulsystem fehlt aktuell eine formale Möglichkeit, die Eltern stärker ins Schulgeschehen einzubinden. Die aktive Einbeziehung der Eltern geschieht in Deutschland vor allem an Schulen in privater Trägerschaft, bei denen die Ableistung von 20 Schularbeitsstunden pro Schuljahr Teil des pädagogischen Konzepts ist. So lernen die Eltern die Schule besser kennen und können Lösungsvorschläge aus ihrem jeweiligen beruflichen oder privaten Hintergrund in die Schulgemeinschaft einbringen
Umsetzung des Frei-Day
Um die Eltern aber vor allem die Schüler*innen mehr in die Schulentwicklung einzubeziehen, wird seit dem 14. September 2022 in Capellen auch eine schüler*innenzentrierte Variante des Frei-Day umgesetzt. Der Frei-Day bietet in 20% der Lernzeit projektorientiertes Lernen an konkreten Herausforderungen rund um die jeweilige Schule an.
Ziel ist es nicht nur die Schüler*innen mehr einzubeziehen und ihnen so ein respektvolles, planungsorientiertes und zielgerichtetes Handeln beizubringen, sondern auch die Türen für Eltern zu öffnen um in der gemeinsamen Arbeit den Erwartungsdruck der Eltern zu mildern und den Druck auf den Schultern der Lehrer*innen zu verkleinern. Das Kennenlernen des Schulalltags soll den Eltern eine andere Sicht auf die Schule ermöglichen. So wird der “Frei-Day” ebenfalls ein Pfeiler von “Schule ohne Druck” sein.
Frei-Day – Phase 1 – Herbst
In einer ersten Phase konnten alle Schüler*innen Ideen zur Verbesserung des Schulgeländes und des nahen Schulumfeldes einreichen. Diese Ideen wurden in einer grossen Sitzung durch die Lehrer*innen geclustert und in konkrete Projektideen überführt, in die sich die Kinder einbringen können.
Frei-Day – Phase 2 – Frühjahr 2023
Ab Januar 2023 wird das Leitungsteam (Comitée und Leiter der Cyclen) eine Synthese aus der großen Sitzung verfassen. Es wird diskutiert, wie und welchem Maß der Frei-Day schlussendlich durchgesetzt werden wird. Fest steht, dass die Schüler*innen des C4 (10-12 Jahre) sich für ein Verbesserungsziel entscheiden und sich in Gruppen finden werden. Daraufhin sollen sie in Cycle 3 (8-10 Jahre) Schüler*innen für ihr Projekt gewinnen und dann als Gruppe am Projekt arbeiten. Erst zum Schluss werden Schüler*innen aus C2 und C1 mit ins Boot genommen, um eher bei der praktischen Durchführung der Projekte als Unterstützung zu fungieren.
Freiwillige Eltern können bei der Durchführung der Projekte einbezogen werden.
Frei-Day – Phase 3 – Juli 2023
Ziel ist es, für das Schulfest Mitte Juli 2023 erste Ergebnisse zu haben, die dann den Eltern und Gemeindeverantwortlichen und Schuldirektoren vorgestellt werden können.
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Diese konkrete Unterseite wurde letztmalig im Dezember 2022 im aktualisiert.