Das Erlernen neuer Sprachen gehört zu den wichtigsten und nachhaltigsten Lernerfahrungen. Kinder erwerben Sprachen durch spielerischen Versuch und Irrtum immersiv, und dies auch in bi- oder multilingualen Umgebungen. Sie rutschen sozusagen in eine Sprache hinein. Bei Erwachsenen ist dies oft deutlich schwieriger, je nachem welche individuellen Lernbiographien bei den Teilnehmenden vorhanden sind.
Auf einen Blick - die Seitenübersicht
Empowerment als Schlüssel
Im Rahmen meines ehrenamtlichen Engagements bei der Refugee Academy von 2016 – 2018 haben wir viele niedrigschwellige Methoden für Deutsch als Zweitsprache gesammelt, um auch Erwachsenen durch frühes Empowerment den Einstieg in eine für sie neue Sprache zu erleichtern. Gerade beim Sprachunterricht für Erwachsene können über didaktische Kniffe viele Hilfestellungen gegeben werden. Dazu gehören neben vielen Bewegungsübungen, die Sprache mit Aktionen verknüpfen auch weitere ganzheitliche Lernansätze. Prinzipien aus dem Teambuilding helfen, um aus einer anfänglichen Sammlung von Individuen ein gut miteinander kooperierendes und sich gegenseitig unterstützendes Sprachteam zu formen.
Expert*innen für Sprachbausteine
Wichtig ist es, den Lernenden von Anfang Erfolgserlebnisse zu vermitteln. Eine der einfachsten Methoden besteht darin, die wichtigsten Teilbereiche beim Spracherwerb in der gesamten Lerngruppe auf kleine „Expert*innen-Teams“ zu verteilen. So können später viele Fragen innerhalb der Schülerschaft beantwortet werden und entlasten die Lehrperson von ihrer zentralen Rolle. Die Interaktivität in der Lerngruppe steigt und jede*r Lernende erlebt sich frühzeitig als wertvolles Mitglied der Gruppe.
Konkretes Beispiel für Expert*innen Teams
Wenn eine Gruppe von 12 Menschen mit unterschiedlichem Sprachhintergrund Deutsch komplett neu erlernt, werden kleine Teams gebildet, die sich eine grosse Expertise in einem teilbereich aneigenen. José und Katarina kümmern sich vor allem um Verben und wie diese konjugiert werden, Mahmoud und Isabelle um Adjektive und deren Steigerungsformen, Soraya und Wladimir um Nomen und Deklinierung, Jonathan und Jin-Ming um Fragen zur Aussprache usw.
Wenn im Unterricht nun eine Frage aufkommt, wird auch das jeweilige Expert*innen-Team gefragt, ob sie das schon erklären könnten. Die Lehrperson greift dann ggf noch korrigierend ein bzw erläutert die komplexeren Zusammenhänge.
Wichtig ist, dass diese Einteilung schon innerhalb der ersten beiden Unterrichtsstunden passieren sollte, damit die Arbeitsteiligkeit und die Übernahme vpn Verantwortung von Anfang mit dazu gehören. Erfahrene Sprachlehrer*innen sollten ihrem Gefühl vertrauen, mit grosser Wahrscheinlichkeit die richtigen Personen auszusuchen. Im Laufe des Kurses können Teams auch nochmal ausgetauscht werden.
Geschicktes Nutzen der Herkunftssprachen
Für guten Sprachunterricht hilft es, die „Zuhause“-Sprachen der Schülerschaft zu kennen. Lehrer*innen können besser unterrichten, je mehr sie über die im Eltern- bzw eigenen Haushalt gesprochenen Sprachen ihrer Klassen wissen. Die meisten Menschen haben die Grammatik ihrer Muttersprache nur sehr selten reflekiert. Durch Vergleich in die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Sprachen strukturiert sein können, werden Rückbezüge in die Ursprungssprachen ermöglicht.
Typische Fehler
Je nach der jeweiligen Muttersprache der Schüler*innen ergeben sich typische Fehler sowohl bei Grammatik aber auch bei Aussprache. Hier zwei kurze Beispiele:
Aussprache
Menschen, deren Sprachhintergrund mit hauptsächlich weichen Konsonanten arbeitet, haben grössere Schwierigkeiten, die sehr harten deutschen Plosivlaute (p,t,k) zu erlernen. Der zusätzliche Kraftaufwand kann von manchen als unangenehm empfunden werden. Hier kann man über quasi „sportliche Übungen“ Abhilfe schaffen. In kleinen spielreischen Wettbewerben wird z.B. das lauteste T trainiert. Je früher auch durch solche Aktionen indirekt Wert auf korrekte Ausprache gelegt wird, desto akzentfreier werden die Lernenden hinterher sprechen.
Grammatik
Ähnliche Prinzipien gelten auch für Grammatik. So sollten beispielsweise deutsche Nomen immer in Kombination mit dem Artikel gelernt werden. So wird der Umstieg von Sprachen mit Einheitsartikel (Englisches „the“) oder nur m/f Form deutlich erleichtert.
Sprachliche Vielfalt
Viele Nichtdeutsche“ ist ein erster Schritt. Fünf nicht-deutsche „Zuhause“-Sprachen ist besser. Die Differenzierung in 2 romanische, 1 Turksprache, 1 semitische und 1 skandinavische Sprache ermöglicht es, das bei den Schüler*innen vorhandene impliziete Wissen über ihre Sprachen als zusätzliche Ressource für den Unterricht zu nutzen.
Hemmungen überwinden
Eine der wichtigsten Herausforderungen besteht in der Überwindung der Hemmschwellen beim Sprechen. Es ist ungeheuer wichtig, immer wieder Übungen einzustreuen, bei denen der Humor im Vordergrund steht. Das bewusste Produzieren von Fehlern macht allen Spass und trainiert die Regeln genauso gut, wie die Vermeidung von Fehlern. Hier sind Übungen aus dem Bereich des Improtheaters sehr hilreich.
Chorisches Echo
Vor allem in den ersten beiden Jahren beim Erlernen einer neuen Sprache, erleichtert das chorische Nachsprechen z.B. von Liedtexten den Spracherwerb. Die Schüler*innen suchen sich Lieder in der neu zu lernenden Sprache heraus.
Der/die Leader*in liest diese Zeile für Zeile vor, die gesamte Klasse antwortet als Echo.
Menschenkenntnis
Gute Sprachlehrer*innen verfügen oft über eine gute intuitive Menschenkenntnis. Dies hilft, die individuellen Grenzen von hilfreicher Forderung und Förderung in einer gesamten Klasse rechtzeitig zu erkennen.
Sie sollten keine Angst haben, leistungsstarke Schüler*innen bei Kleingruppenarbeit als zusätzliche Lehrassistent*innen einzusetzen und zu fördern.
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