Wachstumsdenken  – das „Growth Mindset“

Den Begriff des Wachstumsdenken bzw „Growth Mindset“ist eines der hilfreichen Konzepte, um Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene dabei zu unterstützen, glücklicher und erfolgreicher zu werden.

Was ist ein Mindset ?

Ein Mindset (übersetzt „Anordnung des Geistes“) bezeichnet unsere mentale Grundeinstellung. Also die Art und Weise, wie wir als Individuum unsere Welt wahrnehmen: dabei geht es hier um das Selbstbild ebenso wie mein unser engeres Beziehungsumfeld aber auch die gesamte (Um)-Welt. Besonders entscheiden sind hier vor allem die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, die wir uns selber zutrauen. Denn wir werden fast immer nur innerhalb der Grenzen handeln, die durch unsere Vorstellung bestimmt sind.


Groth versus Fixed – wachsend vs fixiert


In ihrem Buch „Mindset“ beschrieb die Psychologin Carol Dweck zwei Arten von Denkweisen:
ein starres, bremsendes System – das „Fixed Mindset“-, das keinerlei Veränderungsmöglichkeiten vorsieht und eine am persönlichen Wachstum orientierte Perspektive, das „Growth Mindset“.

Während Menschen mit starrem Denken eher daran glauben, dass Talente angeboren sind und Fähigkeiten nur schwer veränderbar sind, glauben Menschen mit Wachstumsdenken, dass sie sich durch Übung und Fleiß verbessern und weiterentwickeln können (Cain & Dweck, 1995). 

Historischer Hintergrund

Mitte der 70er Jahre eröffnete die amerikanische Lehrerin Marva Collins an einem Brennpunkt in Chicago eine Schule für Jugendliche, die dort als nicht mehr beschulbar galten. Marva Collins war jedoch vom Potenzial dieser Schülerinnen und Schüler überzeugt. Am ersten Schultag wurden die Jugendlichen von ihr mit den Worten begrüßt: „Verabschiedet Euch vom Versagen. Willkommen beim Erfolg.“ Gleichzeitig machte Collins ihren Schülerinnen und Schülern aber auch klar, dass sie hart arbeiten und lernen müssten: „Success is not coming to you, you must come to it.“ Sie ermutigte die Jugendlichen, Verantwortung für sich und ihr Lernen zu übernehmen. Die Lernanforderungen an der Schule waren hoch, wurden aber eingebettet in eine wertschätzende, fehlertolerante Lernkultur: „If you can’t make a mistake, you can’t make anything.“

Aus heutiger Sicht würde man Marva Collins‘ Erfolg mit dem Begriff Resilienz umschreiben: Sie unterstützte ihre Schülerinnen und Schüler darin, zu resilienten Persönlichkeiten heranzuwachsen. Optimismus und Fehlerfreundlichkeit, Lösungsorientierung, persönliche Verantwortungsübernahme, Selbstwirksamkeit und soziale Kompetenzen machen Resilienz aus, beschreibt die Diplom-Pädagogin und Resilienz-Trainerin Simone Kriebs das Phänomen Resilienz. „Der Schlüssel dafür liegt in jedem Menschen selbst. Pädagogen, die Jugendlichen diese Werte vorleben, unterstützen sie in einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung – und vermitteln ihnen grundlegende Ressourcen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Leben.“

Vorteil für Heranwachsende

Entscheidungen treffen, sich selbst motivieren, Rückschläge aushalten, Emotionen regulieren, Probleme lösen, Ziele erreichen: Junge Menschen brauchen ein Umfeld, das sie bei der Entwicklung solcher Ressourcen unterstützt. In Bezug auf Schule umfasst das eine anregende Lernumgebung und ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis.

Nur wenn Schülerinnen und Schüler sich als selbstkompetent wahrnehmen, sind sie immer wieder bereit, sich auf herausfordernde Ziele zu fokussieren und neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren. Anregende, adaptive Lernarrangements helfen Jugendlichen, sich mit grundlegenden Fragen auseinanderzusetzen: Was kann ich, was interessiert mich, welche Ziele will ich erreichen, wie komme ich dorthin und wer kann mich dabei unterstützen? Wenn die Aufgaben angemessen anspruchsvoll sind, bewirken sie die Entwicklung von Eigeninitiative, Motivation, Ergebnisorientierung und Durchhaltevermögen. Durch Erfolgserfahrungen beim Lernen erleben sich die Schülerinnen und Schüler als selbstwirksam.

Ein besonderer Stellenwert kommt dem vertrauensvollen Schüler-Lehrer-Verhältnis zu. Es ist die sichere Grundlage, damit junge Menschen in der Schule ihre Stärken entfalten und zu resilienten Persönlichkeiten heranwachsen können. Die Pädagogin Simone Kriebs wünscht sich hierfür Schulen, in denen sich Menschen begegnen und unterstützen. Menschen, die sich nicht hinter einer Rolle verstecken, sondern authentisch sind, sich Mut machen und spüren, dass sie Einfluss haben. Diese Vision lebt von Lehrkräften mit einer positiven Grundhaltung, die Stärken statt Schwächen, Teilhabe statt Ausgrenzung, Verantwortung statt Resignation fokussieren.

Haltung von Lehrkräften und Eltern

Wie stark sich eine positive oder negative Haltung von Lehrkräften auf Lernerfolg, Motivation und Angst vor dem Versagen einer Klasse auswirkt, thematisiert eine aktuelle Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dort analysierten Wissenschaftlerinnen die Einstellungen von Lehrkräften und setzten sie in Korrelation mit den Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler. Sie kamen zu dem Ergebnis: „Wem nichts zugetraut wird, der schafft oft auch nichts!“

Die Haltung, mit der Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler begleiten, beeinflusst nicht nur, wie erfolgreich sie Aufgaben lösen. Sondern eben auch, ob sie zu jungen Menschen heranwachsen, die sich ihrer Stärken bewusst sind und Herausforderungen als Ansporn betrachten. Wie eine Lehrkraft auf ihre Schülerinnen und Schüler zugeht, wie sie ihnen zuhört, mit Fehlern umgeht oder Grenzen setzt – diese Beziehungskultur wird von den inneren Einstellungen geprägt. Zum Beispiel vom wertschätzenden, empathischen Blick auf die individuellen Talente der Kinder und Jugendlichen. Vom Respekt vor Vielfalt und Gelassenheit im gegenseitigen Umgang. Und von der Überzeugung, dass Fähigkeiten und Talente nicht statisch sind, sondern sich entwickeln können.

Das sogenannte dynamische Selbstkonzept oder growth mindset fußt auf der Überzeugung, dass Leistung und – in gewissem Rahmen – Intelligenz sich entwickeln können, wenn Schülerinnen und Schüler daran glauben, dass sie mit Fleiß und Anstrengung bessere Leistungen erzielen werden. Marva Collins formulierte es mit den Worten: „The first thing we are going to do in here, children, is an awfull lot of believing in ourselves“. Den schulisch gescheiterten Kindern gab sie damit einen Bonus mit auf den Weg, nämlich das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten. Marva Collins war mit ihrer Brennpunkt-Schule in Chicago äußerst erfolgreich. So erfolgreich, dass ihre Arbeit als Lehrerin mit Hollywood-Schauspieler und Oscar-Preisträger Morgan Freeman 1981 verfilmt wurde. Als etwas Besonders sah sie sich selbst dabei nie: „I’m just a teacher – Ich bin einfach nur eine Lehrerin!“

Ein Mindset

Laut Studien ist das sogenannte „Growth Mindset“ oder zu Deutsch das Wachstumsdenken (oder auch der „dynamische Selbstwert“) eine wichtige Basis zu Gesundheit, Erfolg und Glück. Manche sagen, das Wachstumsdenken DIE wichtigste Denkweise sei, die Kindern hilft, glücklich und erfolgreich zu werden! Definitiv ist Wachstumsdenken aber ein wichtiger Teil von Resilienz, also der Fähigkeit eines Menschen Probleme und schwierige Situationen zu überwinden und an der Erfahrung zu wachsen.

Kommt euch das bekannt vor?

Ich bin so blöd!“

Egal wie oft ein Kind gute Noten oder anderen Erfolg hat – viele bezeichnen sich schon nach einem einzigen Misserfolg als „blöd“ oder „dumm“ und schrecken vor herausfordernden Aufgaben zurück.

Fehler bedeuten, ich habe versagt!“

Fehler werden als negative Bewertung aufgefasst und die Angst, vor anderen schlecht dazustehen ist groß.

Ich habe Angst ausgelacht zu werden!“

Wer einen Fehler macht oder anders ist als andere, riskiert ausgelacht zu werden. Die Sorge davor ist groß. Während manche Kinder in ihrer Sorge zum Opfer werden, werden andere zum Täter.

Zwei unterschiedliche Arten von Denkweisen sind wesentlich für unsere innere Einstellung:

Menschen mit starren Denkweisen denken z.B.: 

Fehler sind schlecht! Ich darf keine Fehler machen, sonst bedeutet das, ich bin dumm!“

Sie beachten Feedback nicht:

Was, wenn da was Schlechtes über mich drinnen steht?“

probieren kaum neue Dinge aus: 

Wenn ich das nicht schaffe, bedeutet das, ich bin ein Versager!“

haben Angst vor Herausforderungen: 

Ich schaffe das sowieso nicht.“

und geben schnell auf: 

Ich bin einfach nicht gut genug.“

Warum ist eine wachstumsorientierte Denkweise wichtig?

Menschen mit „Wachstumsdenken“ zeigen eine hohe Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen. Sie zeigen eine ausgeprägte Leidenschaft neues zu Lernen und sehen Fehler als wichtige Grundlage für Wachstum an. 

Sie denken z.B.:

Fehler sind Helfer! Durch Fehler lerne ich neue Dinge!“

Feedback ist für sie wichtig:

Durch Feedback entwickle ich mich weiter!“

sie probieren gerne neue Dinge aus:

Neue Dinge auszuprobieren ist spannend! Ich freue mich immer, wenn ich etwas neues Lernen kann!“

gehen Herausforderungen gerne ein: 

Diese Aufgabe ist ganz schön schwer, boa ich spüre schon wie mein Gehirn wächst, cool!“

und probieren verschiedene Wege, um zur Lösung zu finden:

Hmmm, wie könnte ich diese Aufgabe noch lösen?“

Eine kürzlich publizierte Studie in der Fachzeitung „Nature“ konnte zeigen, dass eine Schulung des Wachstumsdenkens bei Schülern deren intellektuellen Fähigkeiten verbessert, das sich der Notendurchschnitt von leistungsschwachen Schülern erhöht und das insgesamt, die Motivation, sich schwierigeren Themen zu widmen, stieg (Yaeger et al. 2019). Zusätzlich kann Wachstumsdenken auch die Konfliktlösung verbessern, Aggressionen verringern und Beziehungen stärken, so dass Mobbing verringert wird (Dweck 2012 und Yaeger et al. 2011). Es ist also in der Tat nicht überraschend, dass diese Art des Denkens signifikant mit Glücklich-sein und Erfolg im Leben verbunden ist (z.B. Van Tongeren & Burnette, 2018). 

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Literaturtipps:

Cain, K., & Dweck, C. (1995). The relation between motivational patterns and achievement cognitions through the elementary school years. Merrill-Palmer Quarterly, S. 25-52.

Dweck, C.S. (2012). Mindsets and human nature: promoting change in the Middle East, the schoolyard, the racial divide, and willpower. The American psychologist, 67 8, 614-22 .

Van Tongeren, D., & Burnette, J. (2018). Do you believe happiness can change? An investigation of the relationship between happiness mindsets, well-being, and satisfaction. The Journal of Positive Psychology, S. 101-109.

Yeager, D. S., Hanselman, P., Walton, G. M., Murray, J. S., Crosnoe, R., Muller, C., … & Paunesku, D. (2019). A national experiment reveals where a growth mindset improves achievement. Nature, 573(7774), 364-369.

Yeager, D. S., Trzesniewski, K. H., Tirri, K., Nokelainen, P., & Dweck, C. S. (2011). Adolescents‘ implicit theories predict desire for vengeance after peer conflicts: Correlational and experimental evidence. Developmental psychology, 47(4), 1090.

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