Interaktionsregeln für Gruppengespräche

Die folgende Liste von Regeln können die Interaktion in Gruppen sehr günstig beeinflussen. Sie sind – in mehr oder minder veränderten Formulierungen – daher auch Bestandteil vieler Konfliktlösungsstrategien, und berücksichtigen dort viele systemische Gesichtspunkte.
Wichtig ist, dass alle Regeln situationsbezogen dosiert und nicht diktatorisch angewandt werden sollten. Denn jede noch so gut gemeinte Regel kann durch exzessiven Missbrauch ad absurdum geführt werden. Auch hier macht die Dosis das Gift.

Die Regeln stammen sowohl aus dem Inventar der Themenzentrierten Interaktion als auch der Gewaltfreien Kommunikation. Sie können von kooperativen Gruppen angewandt werden und dienen so zur weiteren Stärkung der Gruppendynamik. Dann braucht es jeweils nur ein Gruppenmitglied, das die Sitzung formal leitet. Sollten hingegen schon Konflikte zutage getreten sein, empfiehlt es sich die, Gesprächsleitung an Moderatori*innen zu übertragen. (siehe unten)    

  1. Vertritt dich selbst
    Sprich per „Ich“ und nicht per „Wir“ oder per „Man“. Diese Formen lassen auf ein „Verstecken“ hinter der Gruppe oder einer öffentlichen Meinung schließen. Hinzu kommt, dass es durch eine derartige Kommunikation leichtfällt, Hypothesen entgegen ihrer Natur als Tatsache darzustellen.
  2. Frage mit gutem Grund
    Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das
    „Echte Fragen verlangen Informationen, die nötig sind, um etwas zu verstehen oder Prozesse weiterzuführen. Authentische Informationsfragen werden durch die Gründe für die Informationswünsche persönlicher und klarer.“[7]
  3. Sei authentisch und sorgfältig
    Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst, und wähle, was du sagst und tust.
  4. Interpretiere nicht
    Halte dich mit Interpretationen von anderen so lange wie möglich zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.
  5. Vermeide Verallgemeinerungen
    Verallgemeinerungen unterbrechen den Gruppenprozess. Sie dienen dem Gesprächsverlauf nur, wenn sie einen Themenbereich zusammenfassend abschließen und zu einem neuen Thema überleiten.
  6. Beschreibe die Wirkung von anderen auf Dich selbst
    Wenn du im Rahmen des Geprächs etwas über das Benehmen oder die Charakteristik anderer Teilnehmer*innen aussagst, nutze immer die Ich-Persoektive und auch hinzu, was ihr Verhalten in Dir auslöst. Es ist oft auch sinnvoll, darauf hinzuweisen, wieviel die anderen Dir bedeuten, und wieviel Einfluss ihr Tun und Sein auf Dich haben kann
  7. Seitengespräche haben Vorrang
    Tuscheln und kleine Nebengespräche stören und lenken die Aufmerksamkeit ab. Zudem sind sie meist wichtig, ansonsten würden sie nicht geschehen.
    Auch wenn Seitengespräche vordergründig stören, sind sie meist wichtig für die tieferen Ebenen der Kommunikation. Das Aufdecken der darin geäusserten Themen macht diese für die Gruppe verfügbar, bringt neue Anregungen und stellt Unklarheiten heraus. Missverständnisse werden so verdeutlicht und können Hinweise auf eine gestörte Interaktion (Beziehung) liefern.
  8. Nur einer spricht
    Niemand kann mehr als einer Äußerung zur selben Zeit zuhören. Und einander Zuhören signalisiert das konzentrierte Interesse füreinander, das Gruppen zusammenhalten lässt.
  9. Koordiniert euch durch Stichworte
    Wenn mehr als einer zur selben Zeit sprechen will, verständigt euch in Stichworten, worüber ihr zu sprechen beabsichtigt.
    So werden alle Anliegen kurz beleuchtet, bevor die Gruppenaktion weitergeht.
  10. Beachtet die Körpersignale!
    Beobachte eigene und fremde Körpersignale.

Aufgaben der Moderator*innen

Ein Lösungsgespräch kann nur durch eine unparteiische, neutrale und gegebenenfalls externe Person geleitet. Diese werden meist als Moderator*innen, Mediator*innen, Streitschlichter*innen, Supervisor*innen bezeichnet und ihre Aufgaben sind sehr vielschichtig:

Thema erkennen

Die Leitung hilft der Gruppe, das im jeweiligen Moment wesentliche Thema der Gruppe zu erkennen. Sie formuliert es so, dass die Gruppe daran arbeiten kann.

Ein Beispiel aus der Arbeitswelt kann hier helfen: ein Team hat sich zum Thema „Planung einer neuen Organisationsstruktur im Unternehmen“ getroffen. Im Verlauf des Gespräches wird aber deutlich, dass durch die bisherige alte Organisationsstruktur viel Leerlauf erfolgte. Viele Mitarbeiter haben mit „innerer Kündigung“ reagiert.
Die Moderatorin erkennt, dass dahinter ungünstige Werte stehen, beispielsweise: „Der Chef muss immer alles kontrollieren.“
Deshalb formuliert sie das eigentliche Thema neu:
„Was sind unsere Werte? und welche wollen wir im Unternehmen verwirklichen?“ Denn nur wenn die Werte klar sind, kann die dazu passende Struktur geplant werden.

Balance halten

Die Leitung hilft der Gruppe, die Balance zu halten. Sollte das Gespräch z.B. nach dem System der Themenzentrierten Interaktion gehalten werden, sollten die Bereiche Ich, Wir und Es ausgewogen bearbeitet werden.

Beispiel: Die Gruppe hat sich zum Thema „Planung einer neuen Organisationsstruktur im Unternehmen“ getroffen. Im Verlauf des Gespräches wird aber deutlich, dass sich viele Mitarbeiter durch das Führungsverhalten von Vorgesetzten verletzt fühlen.
Die TZI-Leitung erkennt, dass dahinter ungünstige Formen des Umgangs miteinander stehen. Deshalb formuliert er das Thema neu: „Was sind meine Fähigkeiten? und was brauche ich, um diese gern zum Wohle meines Unternehmens einzusetzen?“ (Sei deine eigene Chairperson.) Denn nur motivierte Mitarbeiter können eine neue Struktur planen und mit sinnvollem Handeln füllen.

Wir-Aspekte in der Gruppe sind beispielsweise: Zusammenarbeit, Kommunikation, Entscheidungsfindung, Ansehen und Macht, Liebe und Beziehungen, Rollen, Konkurrenz, Missverständnisse und Konflikte und vieles mehr.

Ich-Aspekte in der Gruppe sind beispielsweise: Neugier, Mut, Angst, Interessen, Fähigkeiten, Werte, Erfahrungen und Erkenntnisse, Glaubenssätze und vieles mehr.

Gruppe befähigen

Die Leitung hilft der Gruppe, zunehmend die Leitungsaufgabe selbst zu übernehmen (Autonomie). Die Gruppe soll das wesentliche Thema selbst erkennen, die Balance selber halten, den Gruppenprozess selber steuern und gemeinsam umsetzbare Ergebnisse erzielen.